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Mit dem Messie-Syndrom verbinden viele das Anhäufen von Müll. Der ein oder andere wird in seinem Leben mal bei dem ein oder anderen Umzug schon geholfen haben. Oder bei einer Räumung nach einem Todesfall.

Ich habe viele Menschen gesehen und auch begleitet, die in ihrem Leben an einen Punkt ankamen, wo sie sich von materiellen Dingen trennen mussten. Mir ist es nicht immer mit Erfolg gelungen, dabei zu helfen. Zumal betroffene Menschen vor Menschen flüchten, die Hilfe anbieten. Beispielsweise Hilfe in Form von Übernahme von Entscheidungen, die der Betroffene nicht treffen kann.

Der Begriff Messie-Syndrom (vgl. „Hoarding-Syndrom“) hat als signifikante Merkmale die Entscheidungsunfähigkeit, Wertbeimessungsstörung, Kategorisierungs- und Ordnungsschwierigkeiten. Das Problem an der Sache ist, dass es für Nichtbetroffene schwer vorstellbar ist, dass der Betroffene sein Problem nicht selber erkennt.

Messie-Syndrom: Ein Bespiel aus meinem Leben

Ich war im Winter im Außendienst unterwegs und besuchte einen Lead, der sich für eine Photovoltaikanlage interessierte, da er sehr viel Dachfläche hatte. Ich kam zu einem sehr großen Haus mit insgesamt drei Etagen, in jeder eine Wohnung. Auf dem Grundstück liefen Mieter des Hausbesitzers rum und ich fragte mich durch. Mir öffnete ein Herr mit langen Haaren, ungepflegt und im Bademantel. Das oberste Geschoss war ein großer offener Raum mit ca. 3,50-4,00 Meter Deckenhöhe, einem großen Kamin mittig und gut 150 qm offene Wohnfläche. Ein Durchgehen war nicht möglich, da alles mit Hausrat und teils auch Hausmüll vollstand.

Wir setzten uns auf zwei Klappstühle. Ich ging davon aus, dass der Hausherr dieses Haus renovieren wollte, dort nicht wohnte, es vielleicht geerbt o.Ä. hat. Im Laufe des Gespräches erwähnte ich inhaltlich so etwas wie: „Sobald Sie das hier dann in Ordnung gebracht haben, wird das eine richtig schöne Wohnung, hier kann man viel machen.“ Daraufhin änderte sich sein Gesichtsausdruck und sein Ton und er fragte mich, „was denn hier nicht in Ordnung sei“. Ich war erstmal perplex, merkte dann aber mit wem ich es zu tun hatte.

Einem Messie. Einem „Vollblutmessie“. Beim Verlassen des Grundstückes lächelte der Mieter, der mir geholfen hatte den Kunden zu finden und fragte mich: „Und?“. Ich sagte nur: „Sie hätten mich eben ja mal warnen können.“ Daraufhin lachte er freundlich. Die Mitbewohner haben offensichtlich diesen Menschen bereits aufgegeben.

Ich habe den ganzen Tag gebraucht, um die Bilder, die ich gesehen habe, zu verarbeiten. Wie konnte ein Mensch darin leben? Und … warum war er nicht in der Lage eines Vergleiches? Man sieht doch wie andere leben und wie man selber lebt. Er sah es nicht nur nicht, sondern jeder, der ihn erinnerte, fragte, aufmerksam machte, ihm Hilfe anbot – wurde verjagt. Beziehungsweise, er flüchtete dann von denen.

Auswirkungen des Messie-Syndroms

Das Messie-Syndrom hat ganz fatale Auswirkung und ist m.E. eine schwerwiegende Krankheit, die es wie bei allen Krankheiten in unterschiedlichen Abstufungen in Art und Ausmaß gibt. Denn weitere Beobachtungen haben ergeben, dass es nicht zwangsläufig eine Anhäufung von Müll (hier Hausmüll gemeint), sondern auch Gegenstände wie Sperrmüll und vieles mehr betrifft.

Ich möchte an dieser Stelle einen Auszug von Veronika Schröter bringen. Später dann dazu mein Fazit.

[…]

Die Ergebnisse der Studie decken sich mit der Symptomatik des „Hoarding-Syndrom“ (anerkanntes Krankheitsbild in den USA)

In Kernsymptomatik ist mit dem Messie-Syndrom vergleichbar

  • Aufschieben (Prokrastination)
  • Kategorisierungs- und Ordnungsschwierigkeiten
  • Sammeln und Wertbeimessungsstörungen

Ergebnisse der Studie zum Messie-Syndrom

Die teilnehmenden Klienten wurden nun nach Abschluss der Studie vorab über die wesentlichsten Ergebnisse, vor allem im Hinblick auf die Frage nach einem eigenständigen Krankheitsbild, informiert. Diese werden im Folgenden dargelegt.

  • Ausgangslage war die Annahme, dass das Messie-Syndrom lediglich ein Symptom einer – möglicherweise verdeckten – psychischen Erkrankung, wie z. B. Depression, darstellt.
  • In den USA existiert bereits ein in der Kernsymptomatik vergleichbares anerkanntes Krankheitsbild, das „Hoarding-Syndrom“. Als Symptome dieses Krankheitsbildes gelten Prokrastination (Aufschieben), Leidensdruck,
  • Kategorisierungs- und Ordnungsschwierigkeiten, Sozialer Rückzug und Scham, Sammeln und Wertbeimessungsstörungen. Die Untersuchungsergebnisse der Studie decken sich mit dieser Symptomatik. Im Vordergrund steht jedoch nicht das Sammeln, sondern die Entscheidungsunfähigkeit als signifikantes Merkmal.
  • 24% der Teilnehmenden weisen ausschließlich die oben beschriebenen Symptome auf, ohne dass weitere psychische Erkrankungen vorliegen.
  • Bei 76% liegt mindestens eine psychische Erkrankung vor. Dies sind hauptsächlich depressive Erkrankungen sowie Angst- und Zwangserkrankungen.
  • Etwa die Hälfte dieser psychischen Erkrankungen definiert die Studie als Folgeerkrankungen des Messie-Syndroms.
  • Dies bedeutet, dass insgesamt mindestens 60% der Teilnehmenden ausschließlich am Messie-Syndrom erkrankt sind oder an einer weiteren psychischen Erkrankung infolge des Messie-Syndroms leiden. Damit ist die Annahme zu Beginn der Studie eindeutig widerlegt.

Folgerung

  • Die Hypothese, das Messie-Syndrom sei lediglich Symptom einer (verdeckten) psychischen Erkrankung, z.B. Depression, kann zurückgewiesen werden.
  • Die Studie legt eine Unabhängigkeit des Messie-Syndroms von anderen psychischen Erkrankungen nahe.

Einschätzung und neue Begrifflichkeit

  • Nach Einschätzung des Studienleiters ist das Messie-Syndrom nicht dem Bereich der Zwangserkrankungen, sondern vielmehr den affektiven Störungen zuzuordnen.
  • Die Bezeichnung „Messie-Syndrom“ ist in der gesellschaftlichen Wahrnehmung fast ausschließlich mit den Teilaspekten Vermüllung und Verwahrlosung verbunden. Um dem Krankheitsbild und seiner spezifischen Symptomatik besser gerecht zu werden, sollte ein umfassenderer Begriff, wie zum Beispiel „Desorganisationssyndrom“, eingeführt werden.

[…]

Meinung und Fazit von Gregor Schäfer über das Messie-Syndrom

Dass ein Messie-Syndrom nicht als alleinige oder verursachende Krankheit daher kommt, ist deutlich zu beobachten.

Gerade den Begriff „Entscheidungsunfähigkeit“ würde ich am meisten Bedeutung schenken. Denn m.E. resultieren hieraus dann die „Desorganisationssyndrome“ und „Wertbemeissungsstörungen“.

In Coaching-Seminaren werden „Zeitmanagement“ und „Prioriätensetzungen“ behandelt. Die Erklärung was eine To-do-Liste ist, bzw. dass sie mehr als nur eine Erinnerungsliste ist, blieb oftmals ein erfolgloser Versuch bei einem niederschwelligem Klientel (Hartz-IV-Empfänger), welches ich über 1,5 Jahre coachte. Hierzu unten im Text einen Live-Ausschnitt aus dem Unterricht mit jungen ALG-II-Empfängern. Eine Ausprägung von einer Entscheidungsunfähigkeit kann aber keinem Klientel als Tendenz zugeordnet werden: Durchaus findet man bei zahlungskräftigem Klientel ebenso eine Anhäufung von materiellen Dingen – angefangen von „Nippes“ über Kleidung bis allerhand „Baumaterialen“.

Bei Umzügen habe ich aufgrund meiner körperlichen Vorteile oft geholfen. Ich wurde eben oft gefragt, da ich eine recht sportliche Statur habe und als Sportler bekannt bin. Oftmals habe ich Müll und Sperrmüll von A nach B geschleppt, was mich ziemlich nervte. Der Besitzer bzw. vielmehr die Besitzerin nahm beim Auszug einen Gegenstand, den sie lange nicht mehr gesehen hatte (oder gar schon vergessen hatte, ihn zu besitzen) in die Hand, drehte diesen zweimal rum und entschied, dass dieser noch Wert hat. Zwar nicht unbedingt für jemand anderen, aber für sie. Das war leider ALLES für sie.

Kurzer Exkurs: Wenn Kaufen Glück bedeutet

Es gibt Menschen, die kaufen, um sich ein Glücksgefühl zu verschaffen. Im Moment des Erwerbs stellt sich ein Glücksgefühl ein, welches in unterschiedlicher Zeit wieder abgebaut wird. Gerade Menschen mit Bipolarität (Manisch-depressiven Verläufen) kaufen in depressiven Phasen, um glücklich zu sein. Und sie kaufen in manischen Phasen – hier mit weitreichenden Konsequenzen, welches sich in maßlosem Geldausgeben äußert mit teils hohen Verschuldungen. „Wer glücklich ist, kauft nicht.“ ist eine gute Weisheit, die auch als Bemessungsgrundlage dient. Man spricht auch häufig von „Kauf für die Seele“ oder „Seelenkäufe“. Es resultiert durch solche Käufe das eigentliche Problem: Kompensation durch Fehlen des inneren Glücks. Ein neues Mindsetting durch Gesprächscoaching verspricht den größten Erfolg.

Folgendes konnte ich in Fällen von Wertbeimessungsstörungen und Entscheidungsunfähigkeiten beobachten:
  • Menschen, die wenig Wertvolles besitzen, gleichen das mit Quantität aus. Sie kompensieren einen Mangel an gefühltem Besitztum. Sie sammeln alles Mögliche an, oftmals ohne Wert oder tatsächlichem Nutzen und vergeben diesem Gegenstand einen Wert. Je mehr sie das machen, desto mehr materiellen Reichtum haben sie. Im Schlimmsten Falle geht das sogar mit Müll. (In der Wirtschaft geht das übrigens auch: Man verkauft digitalen „Traffic“ von A nach B, vergibt diesem einen Wert. Dies dient eher zur Geldwäsche … by the way … .)
  • Oftmals haben diese Menschen auch ein gestörtes Fremdbild-Eigenbild-Verhältnis bzw. schätzen Zeit- und Prioritätenmanagement falsch ein. Man kann es als „Träumerei“ bezeichnen. Beispiel: Eine Frau kauft eine Nähmaschine, weil sie lernen möchte zu nähen und sich vorstellt eigene Sachen zu produzieren. Tatsächlich hat sie noch nie genäht und tatsächlich hat sie keine zeitlichen Ressourcen frei. Es ist lediglich die Vorstellung die Priorität neu zu setzen. Hier wird aus einem temporären Interesse eine Idee, ohne Anspruch und Wille das Ziel zu erreichen. Besagte Frau kaufte sich die Maschine und fuhr diese im Auto erstmal vier Monate rum, um sie anschließend im Keller zu all den anderen „Schnapsideen“ zu stellen.
  • Viele kaufen viel zu viel Nahrung ein, weil sie vorhaben dieses oder jenes zu essen. Wer regelmäßig abgelaufenes im Kühlschrank entsorgen muss oder im Tiefkühlfach keinen Platz mehr hat und/oder Sachen drin, die mehr als ein Jahr dort schon lagern hat nicht nur eine Desorganisation. Es schwingt die Angst mit, dass man nicht genug zum Essen hat, was in der Praxis aber unbegründet ist. „Essen“ ist auch eine Kompensation eines Mangels. Die Art des Mangels (Liebe, Anerkennung, Selbstliebe u.a.) herauszufinden, bedarf einen Therapeuten oder guten Coach.
  • Kognitive Dissonanz: Wenn man Menschen danach fragt, ob sie das noch brauchen oder brauchen werden (eher als Apell sich davon zu trennen), suchen sie Gründe und beharren an sogenannten Möglichkeiten. Es gibt auch hier eine schöne Weisheit: „Soll alles möglich bleiben, kann nichts wirklich werden“. Das permanente Verweilen in der „Möglichkeit“ ist ein deutlicher Indiz für Entscheidungsunfähigkeit. Letztendlich „prokrastiniert“ man, welches man auch „Aufschieberitis“ oder „Studentenkrankheit“ nennt.
  • Neben einem Geldwert, werden Gegenstände auch u.a. mit Erinnerungen und Gefühlen verbunden. Fotos, Gegenstände, die an einen Menschen erinnern oder an eine Situation. Es passiert Folgendes: Mit dem Trennen dieses Gegenstandes entsteht die Angst, das mit diesem auch die Erinnerung und das Gefühl „weggeschmissen“ wird. Der Mensch behaftet Gedanken und Gefühle mit Gegenständen. Um es zu verdeutlichen: Man muss nicht erst zu einem Grabstein laufen, um an den Verstorbenen zu denken. Trotzdem ist dies ein Ritual, welches in Gedankenmustern konditioniert wurde. Auch behalten von Büchern behaften wir mit einem Wert: Wissen. Tatsächlich ist es so, dass Nachschlagewerke in der digitalen Zeit relativ obsolet geworden sind. Zeitschriften, Romanbücher, Fachliteratur … : Man assoziiert, dass wenn diese Bücher im Regal vor sich hin stauben, habe man sein Wissen dort zwar outgesourct, es aber immer griffbereit. In Wahrheit zückt man das Handy und fragt Google. Man liest auf dem Pad oder hört Hörbücher aus sog. Podcasts. „Papier ist geduldig“, heißt es im Amtsschimmel und Papier nimmt auch eine Menge Platz ein.

Hier beispielhaft drei eigentliche Ursachen, aus denen Entscheidungsunfähigkeiten resultieren:

  • Verlustängste
  • Mangelndes Selbstbewusstsein
  • Kompensationsmechanismen gegen div. Ängste, Verletzungen und dem sogenannten „fehlenden Sinn“

Die Lösungen findet man – sofern es nicht so stark ausgeprägt ist wie bei der „Vermüllung“, welches in schulmedizinische Hände gehört – in erster Linie in Gesprächstherapien und Coachings, die Themen wie Familienaufstellungen (Aufarbeitung der Vergangenheit), Behandlung von Depression und Antriebsschwächen u.U. mit Medikamenten, Lösen von epigenetischen Anhaftungen, welches in den esoterischen Bereich geht, Aufbau des Selbstwertgefühl und neues Setten von Werten. Erst danach beginnt das Lehren von Zeit- und Prioritätenmanagement. Es nützt nichts das Pferd von hinten zu besteigen. Das Pferd (die betroffene Person) schmeißt dich mit den gutgemeinten Ratschlägen u.U. dann ab. Wieder und wieder.

Als Coach nehme ich mich den Problemen die bei Umzügen oder der Erkenntnis, das man mal „aufräumen müsste“, aber es nicht adäquat kann, gerne an. Wenn du jemanden kennst, der hier ein Problem hat, gib ihm diesen Link oder suche den persönlichen Kontakt zu mir.

 

Herzlichst Gregor

 

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