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Wie gehen wir mit Fehlern um? Sind wir ehrlich zu uns selbst, lernen wir – oder gehen wir in den Selbstbetrug?

„Zeige einem schlauen Menschen einen Fehler und er wird sich bedanken. Zeig einem dummen Menschen einen Fehler und er wird dich beleidigen“

Selbstbetrug, kognitive Dissonanz, Dissonanzreduktion, Dissonanz-Reduktion, Konfliktberatung, Beziehungsberatung

 

Laotse soll das 553 v. Chr. gesagt haben. Nun, wer hat dies notiert? Ist auch egal, da die Weisheit an sich ja außerordentlich wertvoll ist. Ich zitiere weiter einen Diplom-Psychologen der mit seinen Büchern, Podcasts, Mitschnitten und Auftritten als Redner sehr viel Geld verdient … :

„Es gibt keine Fehler. Alles, wirklich alles hat seinen Grund, auch wenn wir den Zusammenhang erst Jahre oder Jahrzehnte danach erkennen. Oder auch niemals erkennen.“ […] “Ich lade Sie ein in sich zu gehen, wie es sich anfühlt, wenn Sie sich sagen, Sie haben keine Fehler gemacht. Nichts von all dem wo sie glaubten, es wäre eine Fehlentscheidung, ist ein Fehler gewesen. Es gibt keine Fehler in Ihrem Leben.“

Nun, solche Sätze würde ich auch jedem sagen, der in Depressionen, mangelndem Selbstwertgefühl, tiefer Trauer und /oder Zweifel wäre. Solche Sätze helfen solchen Menschen sehr viel  und sie sind noch nicht einmal gelogen. Ich würde solche Sätze aber keinen dissozialen Arschlöchern sagen. Also keinen Psychopathen und Egomanen. Es ergibt sich daraus, dass nicht alle Menschen gleich sind und alle Menschen die gleichen (Pseudo-)Weisheiten benötigen.

Ein Redner redet vor vielen. Vor vielen Individuen. Was gut klingt, hat nicht bei jedem die gleiche (Ein)Wirkung. Mit dem, was gut klingt, kann man viel erreichen, auch finanziell.

Zwischen Schwarz und Weiß gibt es ganz viel Grau. Über dieses Grau … bzw. diese vielen Graustufen möchte ich heute philosophieren.

Im Grunde genommen ist die Welt voller Fehler. Die Welt ist voller Schuld. Es ist ein Fehler, so viel Plastik zu produzieren und auch zu konsumieren. Es ist ein Fehler, Neonikotinoide auf die Felder zu kippen. Die Massentierhaltung ist ein Fehler. Der Zuckerkonsum ist ein Fehler. Der Medienkonsum ist ein Fehler. Der Kapitalismus als Lebensinhalt ist ein Fehler. Und alle die mitmachen, ob blind oder wohlwissend … sind schuldig. Das ist der große Kosmos. Wenn es Fehler und Schuld im großem Kosmos gibt, heißt es nicht, dass es im kleinen Kosmos, nämlich in jeder individuellen Lebensweltorientierung (vgl. Hans Thiersch) diese nicht gibt.

Es gibt einen Fachbegriff dafür, dass man für sich selber Situationen relativiert, umkehrt, schönredet. Der Fachbegriff für den Selbstbetrug lautet: Kognitive Dissonanzreduktion.

Die kognitive Dissonanz-Reduktion 

Das Wirkungsprinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion besagt – einfach ausgedrückt: Wir denken und reden uns negative Dinge schön. Insbesondere solche, die in uns einen gedanklichen Missklang bzw. einen als unangenehm empfundenen Gefühlszustand bzw. einen Widerspruch auslösen.

Wenn wir feststellen, dass die Dinge in Wirklichkeit nicht so sind, wie wir uns das eigentlich wünschen und vorstellen (wenn z.B. Informationen, eigene Entscheidungen und Handlungen nicht mit unseren eigenen Überzeugungen, Gefühlen und Wertvorstellungen übereinstimmen und wir daran im Nachhinein nur schwerlich etwas ändern können), interpretieren wir sie einfach um, damit wir nicht durchdrehen und uns wohler fühlen.

Passt unser Verhalten und unser Denken (auch Ansichten, Wert- und Moralvorstellungen etc.) nicht zusammen, erscheint unser Selbstkonzept gefährdet bzw. unser Selbstwert bedroht. Zur Erhaltung unseres Selbstwertes setzt unser Denken oft starke Erklärungs- bzw. Selbstentschuldigungsmechanismen in Gang, welche die Realität und ursächliche Zusammenhänge stark verzerren. Das Wirkungsprinzip der kognitiven Dissonanz-Reduktion führt daher zu Wahrnehmungs-, Denk-, Beurteilungs- und Beobachtungsfehlern.

Die Ursache für den Selbstbetrug

Da wir einem inneren Streben nach gedanklicher Harmonie folgen, missachten wir die Feststellung unangenehmer Wahrheiten, interpretieren sie einfach um und entwickeln andere neue Gedanken, welche die unangenehme Realität dann wieder in ein erträgliches, angenehmes oder günstiges Licht rückt.

Hat man z.B. eine im Nachhinein ungünstige Entscheidung getroffen, wertet man die Entscheidung bzw. die Gründe für diese Entscheidung nachträglich um und auf oder schreibt sie irrationalen Gründen und Zusammenhängen zu. Möglich gewesene Alternativen wertet man hingegen ab oder negiert sie im Nachhinein völlig. Dabei gilt das Prinzip: Je wichtiger und unumkehrbarer die Entscheidung war, desto stärker wirkt der Effekt.

Hat man sich seiner eigenen Meinung nach unmoralisch verhalten, tendiert man z.B. dazu, die eigenen Werte im Nachhinein dem Verhalten anzugleichen. Man ändert einfach seine moralischen Werte und umgeht durch diesen „Selbstbetrug“, der eine natürliche Fähigkeit darstellt, unser Selbstkonzept aufrechtzuerhalten, die Kognitive Dissonanz und das damit verbundene unangenehme Gefühl.

Beispiele in aktuellen Gesellschaftsthemen

Als Beispiel nehmen wir das Thema Umweltverschmutzung. Hier wären es solche Sätze wie:

  • Was kann ich schon als Einzelner tun?
  • Wenn ich mein Wasser aus Plastikflaschen kaufe, macht es diese eine Plastikfalsche auch nicht … .“
  • Oder wenn Veganer sagen.. „Das bisschen Palmöl, was ich verzehre, ist nicht der Grund für die Tropenholzabrodung. Das Palmöl wird für Industrie und Fleischzucht benötigt“.

Die Industrie setzt DR (Dissonanz-Reduktion) im Marketing ein: Sie gaukeln uns Recycling vor, damit wir getrost Plastik konsumieren können. Die Wahrheit ist eine Andere.

Ein Fleischesser beruhigt sich, indem er sich vorgaukelt nur „auserwähltes Fleisch vom Metzger zu essen, wo er sich sicher sein kann,, dass das Schwein ordentlich gehalten wurde“, obwohl er genau weiß, dass es nicht so ist. Der Adipöse redet sich ein, dass er stolz auf jeden seiner Pfunde ist. Der Dieselfahrer beschwert sich über die Ressourcengewinnung der Batterien – und so geht es weiter und weiter … .

Wenn man einen Partner verlassen hat und merkt, dass dies eine Fehlentscheidung war, dann redet man ihn im Nachhinein einfach schlecht. Wenn man lange genug sucht, findet man immer Gründe, um sich aus der Verantwortung zu ziehen. Es gibt Menschen, die haben ein sogenanntes DR-Diplom: Ein Dissonanz Reduktionsdiplom.

Kennen Sie solche? Im kleinen Kosmos betrifft es nicht mehr die Geopolitik, sondern die zwischenmenschlichen Beziehungen. Und in dieses Thema möchte ich nun tiefer einsteigen:

Selbstbetrug auf zwischenmenschlicher Ebene

Dissonanz-Reduktion (Selbstbetrug)  auf zwischenmenschlicher Ebene machen Menschen, die große Schwierigkeiten haben, sich zu entschuldigen. Menschen, die tendenziell Schwierigkeiten haben mit der Einsicht. Bevor man sich nämlich entschuldigt – was quasi ein Zugeständnis eines Fehlers wäre – wird eben eine Rechtfertigung des Handelns gesucht und auch konstruiert. Notfalls auch auf unfaire Weise, durch Hervorholen von in Vergangenheit passiertem, welches man uminterpretiert. Pseudovergleiche, die keine sind und vieles mehr … .

In meinen Vorträgen habe ich oft die Phasen des sich Entschuldigens mit den Teilnehmern sprichwörtlich durchgekaut. Denn das, was ich festgestellt habe,, ist, dass mehr Menschen Probleme haben sich zu entschuldigen als man annimmt. Eine (ernst gemeinte) Entschuldigung auszusprechen ist für viele eine große Schwierigkeit, da es Annahme der Situation und Einsicht bedingt. Ohne dies klingt eine Entschuldigung in etwa so: „Sorry, du hast Recht und ich jetzt meine Ruh´“. Nicht wenige entschuldigen sich des Friedens Willen, ohne Annahme oder Einsicht. Ebenfalls bedeutet eine Entschuldigung wie „Es tut mir Leid, dass du dich verletzt fühlst.“ das, was es rhetorisch aussagt: Man sagt nicht „Es tut mir Leid, dass ich dich verletzt habe.“ sondern, dass der Gegenüber sich verletzt fühlt.

Die Einsicht ist schwierig – und wenn man im Recht ist auch manchmal nicht unbedingt notwendig – aber hier kommt dann die selektive Wahrnehmung. Zwei Menschen stehen sich gegenüber und in deren Mitte ist die Zahl sechs auf dem Boden gemalt. Der eine sagt sechs, der andere neun … . Nun, wer hat Recht? Beide.

Selbstreflexion oder lieber Selbstbetrug?

Dennoch … Es gibt durchaus Tendenzen, auch wenn es im Volksmund heißt „Zum Streiten gehören immer zwei“. Es gibt durchaus Tendenzen, welches Actio ein Reactio rauf beschwor, also wo oder vielmehr bei wem der Anfang war. Weil die Sache so schwierig zu ermitteln ist, holen sich viele dann eine „Meinung“ bei ihrem besten Freund (beide Gender gemeint). Nur…ist hier wiederum eine Objektivität sehr schwierig, wenn man nur die Sicht der einen Partei dargestellt bekommt. Es bedarf großer Erfahrung eine Objektivität zu bewahren, wenn man stets die selektive Wahrnehmung zu hören bekommt.

Um auf die Dissonanz-Reduktion zurück zu kehren … . Ein sogenanntes „Gottvertrauen“ bzw. „Urvertrauen“, ob in Gott, in das Karma, in das Universum, … hilft, um Selbstzweifel aus dem Wege zu gehen. Das ist wichtig. Aber die Dosis macht das Gift. Sage ich zu allem „es ist alles so gewollt und alles hat seinen Sinn“, gebe ich u.U. meine Verantwortung meines Tun´s ab.

Es heißt bei o.g. Redner solcher Seminare „Man kann sich nur selber verletzen.“, denn verletzt zu sein ist eine Entscheidung. Das ist nicht falsch. Und dies zu begreifen und auch zu leben ist ein langer Weg, auf dem man festgefahrene Konditionierungen aufbrechen muss. Dennoch … wenn ein Mensch diese Weisheit missbraucht, um taktlos sein zu dürfen, verlässt er den Pfad der Demut.

Was ist die Ursache für Dissonanz-Reduktion?

Der Prophet Jesus hat nicht gelehrt, dass es gar keine eigenen Handlungsfehler gibt, weil alles im Inneren des Gegenübers passiert.

Im Gegenteil. Dissonanz-Reduktion zeigt gerade dass man sich angesprochen, verletzt oder verärgert fühlt. Die Dissonanz-Reduktion ist bedingt dadurch, wer Dissonanz-Reduktion betreibt und behauptet er steht über den Dingen, ist nie verletzt oder verärgert betreibt Selbstbetrug. Wenn er sich nicht angesprochen fühlt, dann wäre die Motivation der DR ja gar nicht notwendig.

Redner holen dann gerne den Begriff „das innere Kind“ hervor, welches sich angegriffen fühlt. Das ist nicht falsch, aber man kann es nicht pauschalisieren.

„Wenn jeder an sich denkt, ist ja an jeden gedacht.“ ist ein Sprichwort mit Ironie. Oder doch mehr Sarkasmus?

Es gibt Menschen, die verwenden sehr viel und wesentlich mehr Energie damit, nicht im Unrecht zu sein, als die Sichtweise des Anderen zu sehen, bzw. viel mehr zu „fühlen“. Somit kommt eine Einsicht erst gar nicht zustande, sondern es wird akribisch nach Gründen gesucht – notfalls auch „konstruiert“ – warum man im Recht ist. Hierzu dienen dann u.a. notfalls Apfel-Birnen-Vergleiche, Wortteppiche, auch verbale Angriffe, Altes aus der Vergangenheit, Spekulationen. Es kann dann auch unfair werden, nur um im Recht sein zu können.

Die Frage kommt auf, warum tun Menschen das? Das Streben „fehlerfrei“ zu sein, ist eine Handlungsmotivation, die zunächst ehrbar ist. Birgt jedoch Gefahren: Wenn ich von meinem Partner stets verlange, nicht verletzt werden zu können durch mich, mit den Worten „Nur du selber kannst dich verletzen“, packe ich ihm einen Berg voll Verantwortung über sein glücklich sein auf seine eigenen Schultern. Dadurch, dass ich ihn also nicht verletzen kann (sondern nur er/sie sich selber), spreche ich mich von jeglicher Schuld frei. Ich habe mir einen Freifahrtsschein verschafft. Ich bin dann also „fehlerfrei“. Perfekt im zwischenmenschlichen Verhalten. Ich kann also damit ein besserer Mensch sein. Egal was ich sage oder tue, die Verantwortung wie er darüber denkt und fühlt liegt bei ihm. Sehr einfach, nicht?

Im Prinzip ist es eine Schutzfunktion sich mit mir und meinem (Fehl-) Verhalten nicht auseinandersetzen zu müssen. Jesus hat das nicht gelehrt. Er sagte nicht „Ihr seid alle frei von Schuld, es liegt nur im inneren verletzten Kind eures Gegenübers, der sich fragen muss, warum er sich angesprochen fühlt“. Es ist wie gesagt die Dosis … . Was heutige Redner, die oftmals Philosophen und/oder Psychologen sind, publizieren, sind gute Erkenntnisse und sie bewirken in uns notwendige Transformationen herbei. Pauschalisieren und falsch paraphrasieren sollte man sie jedoch nicht.

Wie komme ich aus dem Selbstbetrug heraus?

Wie gehe ich also mit meinen (gemachten) Verhaltensfehlern um? Der Weg des geringsten Widerstandes ist, es so hinzubekommen, dass ich keine Fehler gemacht habe. Dann muss man sich auch kein Fehlverhalten eingestehen. Denn ein schlechtes Gewissen fühlt sich Scheiße an. Wenn ich dieses Gefühl nicht haben möchte, muss ich eben Dissonanz-Reduktion betreiben und wenn das nicht hilft, sage ich mir, dass alles seinen Sinn hat und das Karma es so wollte. Wenn ich lange genug warte, wird sich schon eine andere Situation ergeben, wo ich auf einem anderen Wege wieder glücklich werde. Dann kann ich mir sagen: „Siehste! Ohne das wäre ich heute nicht in der (glücklichen) Situation, in der ich jetzt bin!“ Das funktioniert immer, da es auch so kommt. Unweigerlich, es sei denn man nimmt sich das Leben. Selbsterfüllende Prophezeiung und Dissonanz-Reduktion liegen nahe beieinander.

Das Leben ist voller Überraschungen und ohne Veränderung wird es kein neues Land zu entdecken geben.  Die Veränderung ist dein Schiff. Daher muss dieses stets schiffbar bleiben und gepflegt werden. Wer aber diese Tatsache als Maxime benutzt, um sich nicht mit sich selber und seinem Verhalten beschäftigen zu müssen, ist stets auf der Flucht … – vor sich selber. Er segelt rastlos, kommt nie an.

Seinem Gegenüber klar zu machen, dass er sich stets selber verletzt und er sich stets den Strick sucht, mit dem er sich aufhängen kann, ist durchaus berechtigt. Nur kann es auch sein, dass man dies auf seinen Partner projiziert, weil man diese Erfahrung in der Vergangenheit mit anderen Partner gemacht hat – oder man projiziert von sich auf andere … . Diese Frage sollte sich jeder stellen.

Wenn ein Partner nach einer Zeit (bspw. 1,5 Jahren ) sagt: „Ich kann mich nicht erinnern, dass du mich jemals verletzt hast.“, um darzustellen, wie weit oben man in der Maslow Pyramide angekommen ist, so ist das u.U. Selbstbetrug. Jesus konnte über Wasser gehen, seitdem habe ich von keinem jemals lebenden Menschen gehört, der das konnte. Es drückt den Wunsch aus, nicht mehr verletzbar zu sein, und das man sich dies im Nachhinein einredet. Jeder Mensch hat Stolz, Werte, Morale, Ziele, Erwartungen und Wünsche. All das ist angreifbar. Wer behauptet, er sei auf der Stufe, dass er gegen Verletzungen dieser immun ist, macht sich etwas vor und lehnt sich im Grunde genommen selber so, wie er ist, ab. Er möchte anders – unverletzbar – sein.

Dieses Streben, nicht mehr verletzbar sein zu können, als Schlüssel zum Glück ist m.E. ein Irrweg. Der Weg des geringsten Widerstandes ist, sich mit sich und seinem Fehlverhalten nicht beschäftigen zu müssen. Kein schlechtes Gewissen zu haben, sich nicht entschuldigen zu müssen. Obendrein versuchen DR-Diplomanten für eigenes Fehlverhalten, ihrem Gegenüber die Schuld in die Schuhe zu schieben, indem sie ihm u.U. auch permanent erklären, dass er stets sich selber verletzt, zu hohe Erwartungen hat, falsche Werte, falsche Moral hat, usw. –  Angriff ist eben die beste Verteidigung.

Inner Engineering – der schwere Weg ist eine Frage des Mindsets

Der schwierigere Weg wäre, die Annahme ein schlechtes Gewissen zu haben und es zu dürfen. Es will mir etwas sagen. Es will, dass ich über mein Verhalten nachdenke. Nur, wenn man das schlechte Gewissen wegschiebt, missachtet man den Weg zu einem Hafen, zu neuem Land. Dissonanz-Reduktion ist keine Größe, sondern das ist die Vergebung. Um Vergebung zu bitten, selbst wenn es nicht eingefordert wurde, das ist Demut. Das ist Größe. Der Weg geht über den EQ, also die Empathie-Fähigkeit. Wie denkt mein Gegenüber, warum denkt er so? Wie fühlt er sich? Ist er selber verantwortlich oder habe ich einen Impuls gegeben? War ich die Actio zu seiner Reactio? Oder war es seine selbst erfüllende Prophezeiung? Oder war es gar meine? Lege ich ein falsches Profil auf sein Charakter? Oder zeigt es seinen Charakter?

Man kann zwischen diesen Fragen aussuchen. Welche Frage zu Dissonanz-Reduktion führt und welche nicht, ist ersichtlich. Ich habe die Wahl, die richtigen Fragen zu stellen und die Antwort zu suchen. Betreibe ich Dissonanz-Reduktion, sage ich mir: Es war seine selbst erfüllende Prophezeiung  und es zeigte seinen Charakter und es war sein Actio. Oder ich reflektiere mich selber, indem ich sage: War es seine Reaktion auf meine Aktion und ich beschwor diese Reaktion herauf (diese selbst erfüllende Prophezeiung) und ich sehe in ihm meinen EX.

Wie man sieht, ist es die Auswahl, die ich wählen kann, ob ich den leichten oder den harten Weg gehe. Ob er selber Schuld ist (also mein leichter Weg), oder ich Anteil habe (das ist mein schwerer Weg).

Es ist richtig, wenn Menschen mit Selbstzweifel und verminderten Wertgefühl durch das Leben gehen, den Fokus neu zu setzen, weg von dem eigenen Schuldgefühl. Sich schuldig zu fühlen für Dinge, für die man keine Schuld hat, macht krank. Aber wir wollen uns im Grau bewegen und weder am einen, noch am anderen Ende.

Statt verhaltensfehlerfrei durch das Leben gehen zu wollen, was ohnehin unmöglich ist, wäre der Ansatz sich gemachte Fehler einzugestehen, aber damit leben zu können … der bessere Weg. Die Annahme, dass man verletzbar ist – auch das verbale äußern dessen „Das hat mich geärgert. Das hat mich verletzt. Ich fühle mich falsch bewertet.“ – ist ein Weg, sich nicht mehr selbst zu betrügen.

„Ich habe einen großen Fehler gemacht, ich habe nicht nachgedacht und etwas gesagt oder getan, was mir jetzt sehr leid tut. Ich kann es nicht rückgängig machen, würde es gerne. Ich muss mir diesen Fehler verzeihen, du hilfst mir, wenn auch du mir verzeihst.“ All das hört sich besser an als krampfhaft Gründe zu suchen oder sie zu erschaffen, warum man so gehandelt hat.

Dissonanz-Reduktion als Strategie

Dissonanz-Reduktion müssen Anwälte drauf haben, damit verdienen sie ihr Geld. Ich habe mal den Film „ Der Nürnberger Prozess“ geschaut, indem die deutschen Anwälte ein gelungenes Plädoyer abhielten. Es sollte die Schuld und die Handlungen der Angeklagten relativieren. Die Tatsache ist aber, dass man den 2. Weltkrieg im Nachhinein mit nichts rechtfertigen kann. Auch nicht, indem man ein Jahrhundert danach darüber spekulieren könnte, wofür es gut gewesen ist.

Und so ist es auch im kleinen Kosmos, in der zwischenmenschlichen Beziehung. Für manche Dinge sollte man sich einfach entschuldigen und sich fragen, ob man selber Dissonanz-Reduktion betreibt und ob man sich eingestehen kann, dass man Fehler gemacht hat. Wahre Größe ist dann sich entschuldigen zu können. Unter Umständen auch nach Jahren oder Jahrzehnten.

Manchmal kann man sich nicht mehr entschuldigen, weil der Mensch dem eine Entschuldigung viel bedeuten würde … nicht mehr lebt. Auch das kann Strategie sein, die man verfolgt …  – einfach abzuwarten und später voller Selbstbetrug sagen: „Schade, ich hätte mich ja noch entschuldigt, aber nun ist er verstorben.“

Es gibt zwei Dinge, die stärker sind als der Tod: Das ist die Liebe und das ist der Stolz. Die allermeisten Menschen entscheiden sich – auch im Angesicht des Todes … – für den Stolz.

Deswegen ist die Menschheit nun da angekommen, wo sie ist. Bei der Zerstörung des Planeten. Und gegen diesen Fakt hilft auch keine DR mehr. Die Veränderung zu mehr Demut beginnt im Kleinen.