„Popcorn Brain“: Beeinflusst Social Media dauerhaft unsere Konzentrationsfähigkeit?

Ja, zugegeben, der Vorwurf, dass Social Media unsere Gehirne beeinträchtigt, mag für die meisten von uns eher wie ein typischer Elternspruch klingen, den man müde abnickt, ohne weitere Gedanken darüber zu verschwenden.

Falls ihr euch also schon mal gefragt habt, ob unsere Eltern-Generation vielleicht doch teilweise recht hat mit ihren dystopischen Prophezeiungen, dass wir früher oder später alle zu gehirnlosen Handy-Zombies werden, dann seid ihr hier richtig.

„Popcorn Brain“: Passt sich unser Denken unserem Medien-Konsum an?

Neuer Content alle 30 Sekunden. Neue Musik, neue bewegte Bilder, neue Memes, neue Nachrichten. Vielleicht erscheint ab und an eine Push-Benachrichtigung von WhatsApp, die uns daran erinnert, dass wir eigentlich noch einkaufen wollten. Ah, und da war doch auch noch diese eine E-Mail zu schreiben. Die Verabredung mit der besten Freundin für das Wochenende steht auch noch aus. Und im Hintergrund sind auch noch drei Shopping-Tabs offen.

Alle Informationen und Gedanken – plopp, plopp, plopp –, alles schießt gleichzeitig und schnell in hundert gedankliche und sich kreuzende Richtungen, wie Maiskörner, die in einer Popcorn-Maschine zu unserem liebsten Movie-Snack aufploppen. So fühlt es sich typischerweise im Social-Media-Tunnel an. Aber könnte es sein, dass dieser vorübergehende Zustand nicht mehr verschwindet, sondern unsere Denkweise nachhaltig verändert?

„Popcorn Brain“, so lautet der Begriff in der Theorie des Wissenschaftlers David Levy, der beschreibt, was mit unserem Gehirn geschieht, wenn es sich an die ständige Reizüberflutung und das Multitasking der digitalen Welt gewöhnt hat. Was passiert, ist, dass das Gehirn selbst beginnt, das absurde Tempo, das uns in unseren Social-Media-Kanälen begegnet, nachzuahmen, wodurch die Gedanken anfangen, wie überdrehte Popcorn-Körner herumzuspringen, auch wenn wir nicht am Handy sind.

Und mittlerweile gibt es solide Studien, die die These vom „Popcorn Brain“ unterstützen und zeigen, dass übermäßige Nutzung von digitalen Medien eine nachhaltige Wirkung darauf haben kann, wie wir Informationen verarbeiten – und sich auch auf unsere Konzentrationsfähigkeit auswirkt. Aber warum reagiert unser Gehirn überhaupt so stark auf die Geschwindigkeit von Instagram, TikTok und Co.? Und können wir das „Popcorn Brain“ aktiv verhindern, auch wenn wir dafür nicht alle unsere Social-Media-Kanäle löschen wollen? Darüber haben wir mit der Psychologin Dannielle Haig gesprochen, die erklärt, wie viel Sorgen uns der Popcorn-Effekt wirklich machen sollte.

„Popcorn Brain“-Effekt: Was passiert dabei im Gehirn?

Zunächst einmal ist da das erwähnte schnelle Tempo von Social Media, erklärt Haig. Eine Unterhaltung im analogen Leben dauert bei Weitem länger als das Kommentieren eines Posts. Aber das allein erklärt noch nicht den Sog, in den wir geraten, wenn wir durch Instagram oder TikTok scrollen. Das eigentliche „Problem“ ist, so Haig, dass Social-Media-Plattformen darauf ausgelegt sind, unsere Aufmerksamkeit nicht nur schnell zu gewinnen, sondern auch zu fesseln. Dafür setzen Algorithmen auf das Belohnungssystem unseres Gehirns.

„Online-Plattformen und soziale Medien nutzen Algorithmen, die uns nicht nur mit einem ständigen Strom von Informationen, Benachrichtigungen und Unterhaltungsangeboten versorgen, sondern auch ganz spezifisch auf unsere Interessen und unser Konsumverhalten zugeschnitten sind“, erklärt sie. „Dies kann zu einer Überstimulierung der Dopaminbahnen in unserem Gehirn führen, die bei Vergnügen und Neuheit aktiviert werden. Jedes Mal, wenn wir neue Informationen oder Benachrichtigungen erhalten, wird eine kleine Dopaminausschüttung ausgelöst, die unser Gehirn gewissermaßen belohnt. Daraufhin will unser Gehirn diese zyklische Ausschüttung beibehalten und mit immer neuen Reizen fortsetzen.“

Mit anderen Worten: Social Media (zumindest so, wie wir es kennen, mit bunten Farben, wechselnder Musik und kurzen Sinneseinheiten) ist der Zucker in unserem alltäglichen Hamsterrad. Während der Nutzung von Social Media ist unser Gehirn also stark sprunghaft und von immer neuer Belohnung getrieben. Und was passiert, wenn wir das Handy wieder beiseitelegen?

„Popcorn Brain“-Effekt im Gehirn: Wie langfristig sind die Folgen von Social Media für unsere mentale Leistung?

Dr. Haig erklärt, dass Social Media und die Nutzung digitaler Medien tatsächlich – langfristig gesehen – die Funktionsweisen unseres Gehirns verändern könnten. Insbesondere dann, wenn während der Handynutzung auch eine innere To-do-Liste entsteht. „Im Laufe der Zeit kann diese ständige Forderung nach Aufmerksamkeit und der schnelle Wechsel zwischen den Aufgaben zu einem Gefühl der geistigen Unruhe führen oder dazu, dass das Gehirn auch offline ‚hin- und herspringt‘, da es sich abgewöhnt, sich über einen längeren Zeitraum auf eine Aufgabe zu konzentrieren“, sagt sie.

Wie stark und dauerhaft die Auswirkungen jedoch sein werden, ist schwer zu sagen, denn dafür gibt es noch nicht genügend Daten, ergänzt Haig. „Die Erforschung der langfristigen Auswirkungen intensiver Online-Aktivitäten ist noch nicht abgeschlossen, aber erste Studien geben Hinweise darauf.

“Popcorn Brain”: So vermeidest du den Konzentrations-Burn-out

Puh, vielleicht müssen wir uns jetzt bei unseren Eltern entschuldigen, die schon immer vorhergesagt haben, dass es uns nicht guttut, wenn wir immerzu auf unser Handy starren.

  • Achtsamkeit und Meditation: Diese Praktiken können Ihre Fähigkeit, sich zu konzentrieren und präsent zu bleiben, verbessern und so das mit dem “Popcorn-Brain” verbundene Gefühl der Zerstreutheit ausgleichen.
  • Aktive Einzelarbeit: Konzentrieren Sie sich regelmäßig auf eine Aufgabe zur gleichen Zeit, anstatt Multitasking zu betreiben – auch, wenn Sie online sind! So können Sie Ihr Gehirn darauf trainieren, die Aufmerksamkeit aufrechtzuerhalten und sich intensiver mit einer Tätigkeit zu beschäftigen. Machen Sie zum Beispiel alle Tabs zu, die sie gerade nicht brauchen, oder deaktivieren Apps, die sie an diesem bestimmten Tag nicht nutzen wollen.
  • Strukturierte Online-Zeit: Legen Sie bestimmte Zeiten für das Abrufen von E-Mails, sozialen Medien und das Surfen im Internet fest, um den ständigen digitalen Konsum zu reduzieren – und um nicht das Vergnügen ständig mit der Arbeit zu mischen.
  • Digital Detox: Planen Sie regelmäßige Zeiten ein, in denen Sie sich von digitalen Geräten trennen, damit sich Ihr Gehirn ausruhen und wieder aufladen kann. Ob bei einem Offline-Hobby, beim Spazieren in der Natur oder einer meditativen Achtsamkeitsübung

tags: Mangelnde Konzentraion durch permanente Handy und socialmedianutzung beeinträchtigt nachweislich unsehr Gehirn negativ